Arbeitsmarkt:
Reformbedarf bei den Jobcentern
Von Jürgen E. Metzger
In Deutschland suchen viele qualifizierte Arbeitslose vergeblich nach einer angemessenen Anstellung – darunter auch Bürokaufleute, für die es in Großstädten wie Berlin eigentlich genug Bedarf gäbe. Statt echter Vermittlung erleben viele Betroffene aber nur Verwaltung. Jobcenter weisen sie an externe Maßnahmenträger oder Callcenter weiter, die kaum mit ihrer Qualifikation zu tun haben. Was läuft schief? Und könnte künstliche Intelligenz (KI) einen Ausweg bieten?
Systematische Fehlsteuerung: Kritik aus vielen Richtungen
Die Kritik am Jobcenter-System ist breit und kommt nicht nur von Betroffenen. Der Bundesrechnungshof bemängelte bereits 2022 in einem Prüfbericht, dass Jobcenter nur in geringem Maße zur tatsächlichen Arbeitsmarktintegration beitragen. Langzeitarbeitslose würden eher verwaltet als vermittelt. Statt individueller Betreuung dominiere eine Standardisierung nach Aktenlage.
Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit wies mehrfach auf Schwächen hin. Externe Vermittler und Schulungsträger erhalten über sogenannte AVGS (Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine) Aufträge – oft ohne nachprüfbaren Erfolg. Der Missbrauch ist dokumentiert, der Anreiz für nachhaltige Integration fehlt.
Sozialverbände wie der Paritätische Gesamtverband und Gewerkschaften wie ver.di kritisieren die Praxis als entmenschlichend und ineffizient. Es geht zu oft um Formulare – nicht um Perspektiven.
Ein echter Fortschritt? Chancen und Risiken von KI
Hier könnte künstliche Intelligenz (KI) ansetzen – nicht als Sparmodell, sondern als Werkzeug für zielgenauere Vermittlung. Moderne Matching-Algorithmen sind längst in der Lage, Lebensläufe mit offenen Stellen zu vergleichen. Auch individuelle Förderbedarfe könnten durch digitale Systeme schneller erkannt werden.
Die Risiken sind jedoch real: In Österreich wurde das Projekt eines AMS-Algorithmus zur automatischen Klassifikation von Arbeitslosen als „vermittelbar“ oder „nicht förderwürdig“ 2021 gestoppt – wegen Diskriminierungsgefahr. Eine KI darf nicht zum digitalen Stigma werden.
Was wäre konkret nötig?
- Transparenzpflichten für private Träger und Vermittler
- Evaluierung aller Maßnahmen nach objektiven Kriterien
- Einführung von KI-gestütztem Matching mit menschlicher Begleitung
- Öffentliche Kennzahlen zur Qualität und Nachhaltigkeit der Vermittlung
- Reform des Förderlogik: Von der Maßnahme zur echten Integration
So könnte ein System entstehen, das nicht nur Bürgergeld verwaltet, sondern Menschen tatsächlich in existenzsichernde Arbeit bringt.
Fazit: KI ersetzt nicht den Menschen – aber schlechte Verwaltung
Die Jobcenter haben sich in vielen Fällen von ihrer eigentlichen Aufgabe entfernt. Wenn Verwaltung die Vermittlung ersetzt, verlieren wir nicht nur Steuergeld, sondern auch menschliche Potenziale. Der Mittelstand sucht händeringend qualifizierte Kräfte – gleichzeitig warten viele gut ausgebildete Menschen wie ein Bürokaufmann in Berlin seit Jahren auf eine echte Chance.
Künstliche Intelligenz kann Teil der Lösung sein. Aber nur, wenn sie richtig eingebettet ist – als unterstützendes Werkzeug in einem neu ausgerichteten System, das sich auf individuelle Potenziale und echte Integration konzentriert.
Quellen: Bundesrechnungshof (2022), IAB-Forschung,
Stellungnahmen des Paritätischen Gesamtverband