Wirtschaft im Rückzug:

Deutschland verlor 2024 fast 200.000 Unternehmen

Unternehmensschließungen

Hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und fehlende Perspektiven: Eine aktuelle Studie von Creditreform und dem ZEW Mannheim zeigt die dramatische Lage der deutschen Unternehmenslandschaft

Im Jahr 2024 mussten in Deutschland fast 200.000 Unternehmen schließen – so viele wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Besonders betroffen: Industrie, technologieintensive Dienstleistungen und der Wohnungsbau. Die Gründe sind vielfältig – und sie offenbaren tieferliegende strukturelle Probleme.

SchießungenUnternehmenssterben auf Rekordniveau

Die deutsche Wirtschaft hat 2024 einen herben Rückschlag erlitten: 196.100 Unternehmen stellten ihre Geschäftstätigkeit ein – ein Anstieg von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit erreicht die Zahl der Schließungen den höchsten Stand seit 2011, dem Jahr nach der Finanzkrise.

Laut einer aktuellen Analyse von Creditreform und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ist das Unternehmenssterben branchenübergreifend – und alarmierend.

„Seit 14 Jahren haben wir keine höheren Schließungszahlen mehr gesehen“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. „Die Kombination aus hohen Energiekosten und steigendem internationalem Wettbewerbsdruck macht insbesondere der Industrie zu schaffen.“

Industrie und Technologie-Sektoren besonders betroffen

Branchenbetrachtungen

In den energieintensiven Industriezweigen wurden allein 1.050 Betriebsschließungen registriert – ein Zuwachs von 26 Prozent. In der Chemie- und Pharmaindustrie beendeten 360 Unternehmen ihre Tätigkeit – der höchste Wert seit über 20 Jahren.

Besonders bedenklich ist auch der Rückgang in technologieintensiven Dienstleistungen, wie IT, Umwelttechnik oder Diagnostik: 13.800 Schließungen – ein Plus von 24 Prozent.

„Gerade diese Zukunftsbranchen müssten eigentlich wachsen“, betont Dr. Sandra Gottschalk, Senior Researcher am ZEW. „Doch Fachkräftemangel und Ressourcenknappheit verhindern wirtschaftliches Arbeiten.“

Wohnungsbau: Ziel der Bundesregierung rückt in weite Ferne

Auch der Wohnungsbau bleibt im Krisenmodus. Mit 9.700 Betriebsschließungen – ein Anstieg um 20 Prozent – schrumpfen die Kapazitäten dramatisch.

„Das gefährdet das Ziel der Bundesregierung, mit einem ‘Wohnungsbau-Turbo‘ dem Wohnungsmangel zu begegnen“, so Hantzsch.

Gesundheitswesen und Mittelstand unter Druck

Selbst im traditionell stabilen Gesundheitswesen wurden 2024 10.800 Betriebe geschlossen – ein Plus von 8 Prozent. Die flächendeckende Versorgung mit Arztpraxen und Apotheken gerät zunehmend unter Druck.

Gleichzeitig zeigt sich ein beunruhigender Trend: Immer mehr größere und wirtschaftlich aktive Unternehmen geben auf. Rund 4.050 dieser Betriebe verschwanden 2024 vom Markt – nahezu doppelt so viele wie in normalen Jahren.

„Viele Firmen verlagern ihre Produktion ins Ausland oder investieren gar nicht mehr in Deutschland“, warnt Hantzsch. „Das ist ein klares Alarmsignal.“

Demografie als stille Ursache im Mittelstand

Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der Schließungen bei kleinen, meist inhabergeführten Unternehmen nur moderat. Doch auch hier ist die Ursache besorgniserregend: Altersbedingte Geschäftsaufgaben nehmen zu – oft mangels Nachfolge.

„Junge Menschen ziehen häufig eine abhängige Beschäftigung vor und scheuen das unternehmerische Risiko“, so Gottschalk.

Fazit: Ein Land im wirtschaftlichen Strukturwandel

Die Zahlen zeichnen ein düsteres Bild: Deutschland verliert wirtschaftliche Substanz und Know-how. Das betrifft nicht nur alteingesessene Betriebe, sondern auch potenzielle Zukunftsbranchen.

Wenn keine politischen und strukturellen Gegenmaßnahmen ergriffen werden – etwa durch eine Reform des Fachkräftesystems, gezielte Entlastung bei Energiepreisen und eine aktivere Gründungsförderung – droht eine dauerhafte Erosion des Wirtschaftsstandorts Deutschland.