Walchenseekraftwerk:
Bayerns weiße Kohle – Technikpionier der Energiewende

Von Patrick Pape | 28. Juli 2025
Ein technisches Meisterwerk inmitten alpiner Natur
Zwischen Walchensee und Kochelsee thront ein Kraftwerk, das bereits seit 1924 als Symbol für Fortschritt, Nachhaltigkeit und bayerischen Erfindergeist gilt: das Walchenseekraftwerk. Es verwandelt seit fast einem Jahrhundert die Fallhöhe von über 200 Metern in saubere Energie – ganz ohne Emissionen, aber mit umso mehr Ingenieurskunst.
Wer es besucht, steht vor einem Bauwerk, das beeindruckend funktional und gleichzeitig architektonisch harmonisch in die Landschaft eingebettet ist. Und spätestens beim Anblick der sechs gewaltigen Fallrohre, die vom Walchensee hinunterführen, wird klar: Hier fließt Geschichte – und Strom.




Wie Wasser zu Strom wird
Das Herzstück des Kraftwerks liegt unter der Erde: Ein mehr als sieben Kilometer langer Druckstollen führt das Wasser vom höher gelegenen Walchensee in die Fallrohre, die es schließlich mit gewaltigem Druck in die Maschinenhalle am Kochelsee leiten. Dort erzeugen acht Turbinen umweltfreundlichen Strom für über 100.000 Haushalte.
Zum Einsatz kommen zwei Turbinentypen: Francis-Turbinen, effizient und robust bei gleichmäßiger Last, und Pelton-Turbinen, Spezialisten für große Fallhöhen und variable Stromabnahmen. Jede Turbine ist mit einem Generator gekoppelt, der entweder Haushaltsstrom mit 50 Hertz oder speziellen Bahnstrom mit 16 2/3 Hertz erzeugt – letzterer wird bis heute für den Betrieb vieler Züge benötigt.
Technik, die fasziniert
In der Maschinenhalle des Kraftwerks treffen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Neben modernen Steuerungselementen finden sich liebevoll restaurierte Originalanlagen aus der Gründerzeit – von Armaturen über historische Schalttafeln bis zu handbetriebenen Lasttrennschaltern. Wer sich für Technikgeschichte interessiert, wird hier fündig.





Ein Erlebnis für Technikfreunde und Naturgenießer
Das Kraftwerk ist ganzjährig (außer im Winter) kostenlos zugänglich. Interaktive Ausstellungen, 3D-Modelle, ein multimediales Besucherzentrum und öffentliche Führungen machen die Technik auch für Laien verständlich.
- Öffnungszeiten: Mai–Oktober 9–17 Uhr, Februar–April 10–16 Uhr
- Führungen: Jeden Dienstag um 16 Uhr von Juni bis Oktober
- Anfahrt: Mit Auto (B11) oder Bahn bis Kochel, dann RVO-Bus 9608
Oskar von Miller – der Visionär hinter dem Projekt
Der Bau des Walchenseekraftwerks geht zurück auf den Elektropionier Oskar von Miller, der nicht nur das Deutsche Museum gründete, sondern auch als Vordenker für erneuerbare Energien galt – lange bevor diese in aller Munde waren. Schon 1904 plante er die Nutzung der Wasserkraft des Walchensees. Nach vielen politischen Hürden begann 1918 der Bau, 1924 floss der erste Strom.
Von Millers Vision: saubere Energie für die Städte, ohne Kohle, ohne Ruß – und mit möglichst wenig Eingriff in die Natur. Eine Philosophie, die das Walchenseekraftwerk bis heute prägt.




Wandern, Baden, Staunen
Rund um das Kraftwerk warten traumhafte Wanderwege – etwa auf den Herzogstand oder entlang des Kochelsees. Im Sommer lädt der See zum Baden und Bootfahren ein. Kunstinteressierte sollten einen Besuch im nahegelegenen Franz Marc Museum einplanen. Wer Körper und Seele verwöhnen will, findet in der Kristall Therme Kochel Ruhe, Panorama und heiße Aufgüsse.
Nachhaltigkeit mit Weitblick
Was einst als technisches Großprojekt begann, ist heute ein Vorzeigebeispiel für nachhaltige Energiegewinnung. Die Betreiberfirma Uniper plant umfangreiche Modernisierungen, um das historische Erbe zu bewahren und gleichzeitig die Effizienz weiter zu steigern – inklusive digitaler Steuerungssysteme.
Das Ziel: auch in Zukunft klimaneutrale Energie aus Bayerns Bergen – ganz im Sinne von Oskar von Miller.
Fazit: Wo Energie auf Geschichte trifft
Das Walchenseekraftwerk ist mehr als ein technisches Denkmal – es ist gelebte Energiegeschichte. Hier zeigt sich, wie Innovation, Verantwortung und Ästhetik zusammenspielen können. Ein Besuch lohnt sich – für Technikfans ebenso wie für Naturfreunde.