Europas Sozialsysteme im Wandel – Teil 4:

Frankreich – Sozialausgabenriese mit klaren Prioritäten

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Frankreich gilt als das Land mit den höchsten Sozialausgaben Europas: Rund 32 % des Bruttoinlandsprodukts fließen jährlich in soziale Sicherung – mehr als in jedem anderen EU-Mitgliedstaat. Kritiker monieren Ineffizienz und hohe Belastung, Befürworter loben die klare soziale Zielsetzung und das robuste Netz gegen Armut.

Sozialschutz als Staatsaufgabe

Frankreichs Sozialsystem ist historisch gewachsen, zentral organisiert und umfassend finanziert. Anders als in Deutschland, wo viele Aufgaben paritätisch und föderal geregelt sind, trägt der französische Staat eine deutlich stärkere Verantwortung. Das zeigt sich auch in der dominanten Rolle des „État providence“ – des wohlfahrtsstaatlichen Staates.

CAF, CMU & Co – klare Zuständigkeiten

Leistungen wie APL (Wohnbeihilfe), RSA (Grundeinkommen), Prime d’activité oder das Kindergeld werden zentral über die CAF (Caisse d’Allocations Familiales) abgewickelt. Diese übernimmt in Frankreich eine Rolle, die in Deutschland auf Jobcenter, Familienkasse, Sozialamt und Jugendamt verteilt ist.

Auch in der Krankenversicherung ist der Staat dominanter. Die Assurance maladie deckt 70–100 % der Kosten ab, ergänzt durch weit verbreitete Zusatzversicherungen („mutuelles“). Besonders bei chronisch Kranken, Schwangeren oder Bedürftigen gibt es großzügige Zuschüsse (CMU-C).

Renten und Frühverrentung: Spannungsfeld aus Sozialschutz und Reformdruck

Frankreich hat eines der teuersten Rentensysteme der Welt – mit über 40 Sondersystemen für Berufsgruppen wie Eisenbahner, Soldaten, Beamte. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter ist niedriger als in Deutschland, der Rentenwert aber höher.

Reformversuche – etwa die Vereinheitlichung des Systems unter Präsident Macron – stoßen auf massiven Widerstand. Generalstreiks und Proteste sind Teil der politischen Kultur.

Erfolge bei Armutsvermeidung

Frankreich verzeichnet seit Jahren eine vergleichsweise niedrige Armutsquote – insbesondere bei Familien mit Kindern. Die zielgerichtete Unterstützung durch Wohnbeihilfe, Energiezuschüsse und Kinderbetreuung wirkt.

Allerdings steigen die Ausgaben weiter – auch durch demografischen Druck, Migration und hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen.

Balanceakt zwischen Gerechtigkeit und Finanzierbarkeit

Frankreich zeigt, wie ein starker Sozialstaat gezielt Ungleichheit abfedern kann – aber auch, wie schwerfällig er wird, wenn Reformen politisch nicht durchsetzbar sind. Für Deutschland lohnt sich der Blick: Weniger Kleinteiligkeit, mehr Zentralität – aber auch klare Prioritäten bei der Mittelverwendung.

Im nächsten Teil: Skandinavien – Universalismus, hohe Steuern und maximale Gleichheit: Das Erfolgsmodell im Härtetest.