Wirtschaft ohne Rückenwind:
Allianz-Studie warnt vor Zöllen, Reformstau und Investitionsbremse
Von der Redaktion des Mittelstandsjournals | 3. Juli 2025
Während die Weltwirtschaft im Jahr 2025 mit dem schwächsten Wachstum außerhalb von Rezessionszeiten seit der Finanzkrise 2008 kämpft, zeigt sich Deutschland laut einer aktuellen Studie von Allianz Trade erstaunlich widerstandsfähig. Doch der Preis dieser Resilienz ist hoch – und die Aussichten bleiben fragil.
Mini-Wachstum trotz Krisenstabilität
Ein BIP-Zuwachs von 0,1 % für das Gesamtjahr 2025 mag wie ein Etappensieg wirken, angesichts globaler Verwerfungen und multipler Krisenherde. Doch so nüchtern wie die Zahl ist auch die Analyse: Deutschland „kommt kaum von der Stelle“, der Welthandel stagniert (+0,3 %), und nur fiskalische Stützmaßnahmen verhindern einen Absturz.
Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade DACH, sieht Hoffnung frühestens ab 2026 – mit etwa 1 % Wachstum. Voraussetzung: keine neuen Zollgewitter aus Washington und eine entschlossene wirtschaftspolitische Trendwende in Berlin und Brüssel.
Zölle als Damoklesschwert – USA als Störfaktor
Im Zentrum der Risikoanalyse steht der drohende Handelskonflikt mit den USA. Während Washington seine Zölle auf chinesische Waren senkt und davon profitiert, bleibt die EU – insbesondere Deutschland – potenzielles Ziel für neue Zollerhöhungen. Der Automobilsektor steht dabei besonders im Fokus.
Nach Ablauf des 90-Tage-Moratoriums ist unklar, wie sich die Lage entwickelt. Die Exportnation Deutschland steht damit erneut vor geopolitischen Unwägbarkeiten, die sich dem Einfluss einzelner Unternehmen entziehen.
Strukturelle Reformen: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Deutliche Worte findet Bogaerts zur wirtschaftspolitischen Lage in Deutschland: Die Zeit der Schönwetterpolitik ist vorbei. Grüne und digitale Transformation, Entbürokratisierung und kluge Investitionsanreize seien unerlässlich, um Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Die Realität sieht indes anders aus: Zu viel Verwaltungsaufwand, zu wenig Anreize, zu große Zurückhaltung bei Zukunftsinvestitionen. Gerade der deutsche Mittelstand braucht Planungssicherheit und weniger Hemmnisse. Die Allianz-Analyse liefert damit indirekt ein Zeugnis des Reformstaus, das die Politik nicht ignorieren sollte.
Europa zwischen Schulden, Rüstung und struktureller Starre
Während die USA trotz hoher Defizite auf fiskalisches Wachstum setzen, lasten in Europa Verteidigungsausgaben und Schuldenbremse auf der Konjunktur. Die Allianz erwartet für die Eurozone insgesamt nur <strongmäßiges Wachstum, mit Deutschland als – relativ gesehen – Stabilisator, aber keineswegs als Konjunkturlokomotive.
Eine asymmetrische Entwicklung zeigt sich zudem in den Schwellenländern, die je nach Währungslage und Exportstärke profitieren oder verlieren. Europa, so der Tenor, steht vor einer Phase der Neujustierung – politisch, ökonomisch, strategisch.
Fazit: Resilient heißt noch lange nicht robust
Die Studie von Allianz Trade ist kein Alarmruf, aber eine nüchterne Erinnerung daran, dass wirtschaftliche Stabilität allein keine Zukunftsstrategie ist. Ohne entschlossene Reformen, kluge Industriepolitik und ein Ende der Zoll-Unsicherheit bleibt das „Mini-Wachstum“ Deutschlands ein symbolischer Kraftakt – ohne dauerhafte Substanz.