Europas Sozialsysteme im Wandel – Teil 3:
Österreich – Weniger Verwaltung, mehr Wirkung?
Österreichs Sozialsystem gilt vielen Experten als vorbildlich: klar strukturiert, effizient organisiert und in zentralen Bereichen digitalisiert. Dabei ist das Leistungsniveau hoch – bei vergleichsweise geringerer Bürokratie als in Deutschland. Grund genug, genauer hinzusehen.
Einheit statt Vielfalt – die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK)
Seit 2020 ist die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) als zentrale Institution für gesetzlich Versicherte zuständig – mit einem bundesweit einheitlichen System. Im Gegensatz zu Deutschland mit über 90 Krankenkassen bedeutet das weniger Verwaltungsaufwand, einheitliche Leistungen und geringere Kosten durch Synergieeffekte.
Die Verwaltung ist transparenter und nutzerfreundlicher. Viele Leistungen – etwa Rezeptgebührenbefreiung oder Mutter-Kind-Pass – sind klar geregelt und direkt abrufbar. Die Finanzierung erfolgt paritätisch wie in Deutschland, doch ohne den tarifpolitisch aufgeblähten Wettbewerb unter Krankenkassen.
Pflegegeld als Erfolgsmodell
Anders als in Deutschland, wo Pflege oft über Sachleistungen und Pflegegrade gesteuert wird, setzt Österreich auf ein Pflegegeldmodell mit sieben Stufen, das direkt an Betroffene ausgezahlt wird. Das schafft mehr Selbstbestimmung und Transparenz, ist gleichzeitig leichter zu verwalten und besser kalkulierbar.
ELGA & FinanzOnline: Vorbilder digitaler Verwaltung
Mit ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) und FinanzOnline hat Österreich zwei digitale Plattformen geschaffen, die europaweit als Benchmark gelten. Bürger können ihre medizinischen Daten sicher online einsehen, Rezepte verwalten, Arztbriefe abrufen oder Finanzdokumente übermitteln – alles in einem System.
In Deutschland hingegen scheitert die elektronische Patientenakte seit Jahren an föderalem Streit, Datenschutzbedenken und technischer Umsetzung.
Arbeitsmarktpolitik: Weniger Kontrolle, mehr Vermittlung
Das AMS (Arbeitsmarktservice) ist zentral organisiert und hat mehr Entscheidungsspielraum bei der Vermittlung. Während das deutsche Jobcenter-System auf Sanktionen und Bedürftigkeitsprüfungen setzt, versucht das AMS gezielt durch Weiterbildung und aktive Förderung zu integrieren – mit oft besseren Ergebnissen.
Sozialstaat als Dienstleister
Österreich versteht seinen Sozialstaat stärker als Serviceeinrichtung. Der Umgangston ist höflicher, die Prozesse sind bürgernäher. Viele Leistungen werden automatisch angepasst (z. B. Familienbeihilfe), ohne dass erneut Anträge gestellt werden müssen.
Im nächsten Teil: Frankreich – Sozialausgabenriese mit klaren Prioritäten. Wie Paris mit gezielten Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung kämpft.