Wer steuert Europas Autozukunft? – Führungswechsel, China-Druck und eine neue Industriepolitik
München, 12. August 2025 · HINTERGRUND / Mobilität & Industriepolitik
Diesen Monat markiert einen Einschnitt: Nach Jahren klarer Kante und sichtbarer Kurskorrekturen verabschieden sich in Europa prägende Führungspersonen aus den Vorstandsetagen. Gleichzeitig verdichten sich externe Zwänge – von neuen US-Zöllen bis zum hohen Tempo chinesischer Wettbewerber. Die Leitfrage lautet: Wer führt Europa in die Autozukunft – und wie?
Fakten kompakt
Führungswechsel: Renault setzt nach dem Abgang von Luca de Meo auf Interim-CEO Duncan Minto; bei Stellantis sowie SEAT/CUPRA gab es ebenfalls Wechsel.
US-Zölle: Politischer Rahmen für einen 15 %-Basissatz auf EU-Importe (inkl. Autos) – aber Umsetzung/Timing sorgen weiterhin für Unsicherheit.
China-Faktor: BYD, Nio, Xpeng & Co. treiben Software- und Kostenführerschaft voran; der Markteintritt in Europa beschleunigt.
Antwort Europas: Von Autarkie zu Allianzen: Software- und Plattform-Kooperationen werden zum entscheidenden Wettbewerbskriterium.
Eine neue Führungsära – und ein Vakuum in der Industriepolitik
Mit Köpfen wie Luca de Meo (Renault) verlieren wir Stimmen, die sich nicht nur technologisch, sondern auch gesellschaftlich positionierten. Europas Branche steht nicht ohne Führung da – aber der Ton ändert sich. Das Risiko: Eine industriepolitische Leerstelle in einer Phase, in der Tempo und Klarheit zählen.
Der 15-Prozent-Tarif: Zeitgewinn, keine Strategie
Der vereinbarte 15-Prozent-US-Zoll auf EU-Importe entschärft den Druck gegenüber zuvor höheren Sätzen. Für OEMs bedeutet das: Planung wird einfacher – aber nicht planbar genug. Handelsabgaben sind ein Puffer, keine Antwort auf Software-Lücken, Kostenstrukturen und Time-to-Market.
Der China-Faktor: Software, Geschwindigkeit, Skalierung
Die Frage ist nicht mehr, ob chinesische Marken Europa erobern – sondern wie schnell und wie tief. Wer künftig bestehen will, muss Software-Kompetenz in Serie bringen: OTA-Fähigkeiten, Daten-Services, ADAS/Autonomie und ein überzeugendes digitales Nutzererlebnis.
Kooperation ist das neue Wettbewerbskriterium
Die Zeiten, in denen ein europäischer OEM alles allein entwickeln konnte, sind vorbei. Allianzen – ob mit Tech-Anbietern, Halbleiter-Partnern oder sogar anderen OEMs – verkürzen Zyklen, teilen Risiken und erhöhen die Schlagzahl in Software und Elektronik.
Beispielhafte Pfade:
- Renault: Öffnung für Partnerschaften bei Antrieben und Software, Vorarbeit an modularen Architekturen.
- BMW: Ausgebauter Schulterschluss mit Alibaba (In-Car-AI/Smart Cockpit) und neue Kooperation mit Momenta (intelligente Fahrassistenz) – ein Muster für „in China, für China“ und skalierbare Software-Roadmaps.
Der Kunde von morgen: Vergleichbar, datengetrieben, markenagnostisch
Plattformen und Preis-Leistungs-Vergleiche machen Entscheidungen transparenter. Relevanz entsteht, wenn Fahrzeuge den digitalen Alltag bestehen: nahtlose Konnektivität, robuste OTA-Updates, Services die Mehrwert stiften – und faire TCO.
Was Europa jetzt braucht – eine 5-Punkte-Agenda
- Software zuerst: Eigene Kernkompetenzen (Architecture, Middleware, Safety) ausbauen – und dort, wo es schneller/besser geht, zukaufen.
- Offene Plattformen: Zuliefer-Ökosysteme für Geschwindigkeit und Redundanz öffnen (SDV-Stacks, Halbleiter-Roadmaps, Sensorik).
- Skalierung durch Allianzen: Gemeinsame Referenzarchitekturen und Einkaufspools für Kosten, Qualität und Time-to-Market.
- Kapital diszipliniert einsetzen: Weniger Parallelwelten, mehr Fokus auf marktwirksame Releases und OTA-fähige Produktpflege.
- Industrielle Politik mit Kompass: Handelsinstrumente als Brücke – aber die Priorität bleibt: Talente, F&E, Infrastruktur, Energiepreise.