Verantwortungseigentum

PatagoniaOutdoor-Marke Patagonia im Verantwortungseigentum

Der weltbekannte Hersteller von Sportkleidung kann nun nicht mehr spekulativ verkauft werden – alle Gewinne dienen langfristig der Mission und dem Zweck des Unternehmens. Damit ist Patagonia de facto ein Unternehmen in Verantwortungseigentum. In Deutschland soll es dafür bald eine neue Rechtsform geben.

 yvon-chouinard

Hamburg, 16. September 2022: Die Nachricht schlug Mittwochnacht ein wie eine kleine Sensation: Der 83-jährige Patagonia-Gründer Yvon Chouinard hat das für seine Outdoor-Kleidung und Nachhaltigkeitsbestrebungen weltbekannte Unternehmen sozusagen „sich selbst“ geschenkt.
Er und seine Familie haben alle Patagonia-Anteile im Wert von drei Milliarden Euro zu einhundert Prozent an eine Art Stiftung, den Patagonia Perpetual Purpose Trust, sowie eine gemeinnützige Entität übertragen. Fortan haben Chouinard und seine Familie keinen Zugriff mehr auf das Vermögen – alle Gewinne dienen nun der Mission von Patagonia, den Klimawandel zu bekämpfen.

Langfristige Unabhängigkeit und Zweck-Orientierung

Mit diesem Schritt reiht sich Patagonia in eine immer länger werdende weltweite Reihe von Vorreiter-Unternehmen ein, die ihre langfristige Unabhängigkeit und Missionsorientierung rechtlich verbindlich qua Verantwortungseigentum absichern.

Prominente Beispiele:
in den USA sind der Messenger-Dienst Signal oder der Internetbrowser Mozilla,
in Deutschland Bosch, Zeiss oder die grüne Suchmaschine Ecosia, die Verantwortungseigentum umgesetzt hat mit einem Modell der Purpose Stiftung.
Diese verschreibt sich seit 2015 dem Ziel, Verantwortungseigentum bekannter und zugänglicher zu machen.

Achim Hensen, Mitgründer der Purpose Stiftung, sieht die Überführung von Patagonia in die neue Struktur daher als großen Schritt für das Thema. „Dass ein Unternehmen wie Patagonia, ein großes Vorbild für viele Menschen und Organisationen weltweit in Bezug auf Innovation, Nachhaltigkeit und Unternehmenskultur, sich für eine Struktur mit den Prinzipien von Verantwortungseigentum entscheidet, ist ein weiteres Zeichen dafür, wie sehr das Thema in der heutigen Zeit angekommen ist. Wir sprechen täglich mit Unternehmerinnen und Unternehmern, die den gleichen Weg gehen wollen – und merken, dass das Interesse stetig steigt.“

Verantwortungseigentum: Trennung von Macht und Geld

Wie die New York Times berichtet, hatte Chouinard schon lange nach einem Weg in die Zukunft gesucht.
„Sobald du an die Börse gehst, verlierst du die Kontrolle über das Unternehmen, dann musst du die Profite der Shareholder maximieren und wirst zu einem dieser unverantwortlichen Unternehmen , wird der83-Jährige zitiert. Dass er das nicht wollte, ist ein offenes Geheimnis.
Stattdessen nun also Verantwortungseigentum – denn es bricht mit der Shareholder-Value-Logik, indem es Macht und Geld voneinander trennt: Die Stimmrechte und die Macht und Kontrolle im Unternehmen bedeuten, werden von den Gewinn- und Vermögensrechten entkoppelt. Die Folge: Gewinne können nicht länger zu persönlichen Zwecken entnommen werden, sondern verbleiben im Unternehmen. Sie dienen einzig dem Sinn und Zweck des Unternehmens, seinem „Purpose“. Kontrolle haben  jene, die mit dem Unternehmen und seiner Aufgabe verbunden sind.
Sie treffen Entscheidungen nicht aufgrund persönlicher Gewinninteressen, sondern werteorientiert auf Basis dessen, was langfristig für die Mission des Unternehmens, dessen Entwicklung, seine Stakeholder und die Umwelt das Beste ist.
Für genau diese Prinzipien hat sich der Patagonia-Eigentümer nun entschieden.

Weltweites Interesse – neue Rechtsform im Koalitionsvertrag

In den USA hat die Purpose Stiftung Unternehmen wie den Bio-Lebensmittel-Hersteller Originally Grown Company dabei unterstützt, sich in Veranwortungseigentum aufzustellen und setzt sich weltweit für das Thema ein.
Zuletzt kamen in Berlin anlässlich der VE:22, der Konferenz für Verantwortungseigentum, 450 Besucher aus 20 Ländern zusammen, um das Thema zu diskutieren und nach vorne zu bringen.
Prominente Sprecher wie Prof. Maja Göpel, Prof. Dr. Lars Feld oder Autor Rutger Bregman tauschten sich aus über das Potenzial von Verantwortungseigentum in einer Wirtschaft im Wandel.
Auch die Politik widmet sich dem Thema. Das Ganze sei „für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft von aller-größter Bedeutung“ , erklärte der spätere Kanzler Olaf Scholz bereits im Mai 2021.
Robert Habeck gab zu Protokoll, Unternehmen in Verantwortungseigentum seien „eher ökologischer und eher sozialer“ (Mai 2021). Ihre Ampel-Regierung hat sich des Themas angenommen und will für „Unternehmen mit gebundenem Vermögen (…) eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen“ , wie es im Koalitionsvertrag heißt.
Ein klares Bekenntnis, an dessen Umsetzung in den Ministerien bereits gearbeitet wird.
Mehr als 1.200 Unternehmerinnen und Unternehmern haben in einer Initiative eine neue Rechtsform gefordert, um Verantwortungseigentum endlich einfacher umsetzbar zu machen.